Sturz der Gefühle – Einstieg in die Schmerztherapie

Hallo nochmal vom Sofa,

heute muss ich einmal von den letzten Wochen berichten und es wird nicht schön. Allerdings möchte ich vorher noch mal sagen, dass ich das Leben liebe und sich hier keiner Sorgen machen muss, auch wenn ich gleich eiskalt schreibe, wie ich Menschen verstehen kann, die sagen, dass das lebenswerte im Leben verloren ist. ?

Dies Jahr ist seit April schmerztechnisch nicht so gut für mich gelaufen. Trotz das das Medikament wirkt, hatte ich Schmerzen. So starke, dass ich mich kaum noch bewegen konnte. Ich schlief ein mit Schmerzen, wachte auf damit. Auch über den Tag wurde es nicht besser. Obwohl ich mich zwang kaum Schmerzmittel zu nehmen, hat mich mein Körper gebrochen. Ich begann mit Naproxen einmal am Tag 500mg. Mied das jeden Tag, aber nahm es dann doch irgendwann mindestens einmal. So wenig wie möglich wegen der Blutverdünner, mit denen zusammen man ja Schmerzmittel natürlich meiden soll.
Es wurde nicht besser, es war immer noch zerreißend. Schmerzen, so dass ich die Arme nicht heben, die Tastatur nicht drücken konnte ohne dass es weh tat. Somit begann ich mir Morgens und Abends eine zu genehmigen und machte mich über Schmerztherapien schlau. Schließlich zeigten meine Blutwerte endlich keine Entzündungen mehr und dennoch hatte ich mehr Schmerzen, als je zuvor. Das weckt in einem Hoffnungslosigkeit. Was machen, wie überstehen?

Daraus lernte ich, wie man eine Schmerztherapie einleitet. Zunächst kombiniert man eigentlich Schmerzmittel, wechselt mal, damit die Nebenwirkungen auf Leber, Niere und andere Organe sich irgendwie im Gleichgewicht halten?! Ist das nicht eine Zwickmühle… ?
Bei mir ist man mit diesen Kombinationen aufgrund der anderen Medikamente sehr vorsichtig und wollte diesen Punkt gerne überspringen.

Mein Hausarzt sah mir meinen Zustand an und beschloss zu Opiatpflastern zu greifen. Es wäre erstmal gering dosiert, aber alleine die Aussage machte mich fertig. Tränen flossen, Fragen wurden Arztfreunden gestellt. Meinungen eingeholt und ich kam zu dem Entschluss es noch zu schieben. Das tue ich bis heute.
Der Schock, wenn einem mit 35 Jahren gesagt wird, du brauchst das jetzt, ist erstmal unbeschreiblich. Aber ich bin dort kein Einzelfall, bloß fängt man dann an zu überlegen, wie lange geht das so? Wann ist der Rest des Körpers kaputt? Um wie viel Zeit verkürzt das wieder mein Leben?

Aber unter den Schmerzen kommt irgendwann der Punkt, an dem dir egal ist, wie kurz das Leben dadurch wird, wenn es nur wieder Lebenswert wird. Jeder Augenblick in Schmerz ist eben genau das nicht mehr. Nach Wochen in dem Zustand kommt der Punkt, da liegt man zusammengekrümmt, Kreischen und (obwohl eher Richtung ungläubig) zu einem Gott betend, er soll jetzt dieses Leben beenden oder es wieder mit Licht füllen.

Natürlich vergeht das wieder und es kommt wieder ein Sonnenstrahl, schöne Luft oder ein tolles Lied und es Blitz wieder der Überlebenswille hervor. Die Ablenkung von Freunden und Familie, die Gesichter der Nichte und des Neffen, für die Tante Desi eine Freude ist… Es gibt so vieles wofür ich Lebe, wofür ich jeden Tag wieder kämpfe und darum bin ich dankbar.
Aber ich denke jeder, der diese Gelenkschmerzen kennt, wo andere sagen „puh, dann ruhe ich mich nun mal die zwei Tage aus“, mit denen ich jeden Tag in jeder Faser rumlaufe, kann verstehen, dass der Körper und vor allem auch der Geist an seine Grenzen kommt.
Wie oft habe ich mich schon gefragt, warum ich? Warum in dem Maße und warum wirkt bei mir nichts? An welcher Stelle habe ich vergessen, wie es ist einfach schmerzfrei wach zu werden? Wie es für „normale“ Körper ist? Und wie gerne würde ich das auch noch mal fühlen. Aufstehen ohne nachzudenken, loslaufen ohne mit Schmerzen zu rechnen, abzuwägen ob man nun wirklich so dringend Pipi muss, dass es lohnt?!
Klingt komisch, ist aber so und nicht lustig in den Momenten.

Nun wurde ich endlich einmal wieder punktiert, weil auch wieder Entzündungen dazu gekommen sind und es geht mir noch mal wirklich gut. Ohne Schmerzmittel. Stehe auf ohne Abzuwägen. Aber ich stelle mich auf den Gedanken ein, dass es irgendwann mit den kaputten Gelenken anders sein wird, wenn ich die Operationen noch rauszögern will. Dann werden die Pflaster kommen, über die ich schon so viel gegoogelt habe. ??‍♀️?
Und wieder die Gedanken, werde ich das alles so packen? Wann bin ich für die nächste OP bereit, von denen doch noch so viele Folgen werden?
Wieder werden Pläne geschmiedet, was will ich noch erreichen? Was will ich noch erleben? Habe ich Stress? –> Quatsch, klingt das so? ??

Ich denke, dass alle Menschen mit chronischen Schmerzen so Denken und ich bin bei weitem nicht diejenige, die am Schlimmsten dran ist. Ich kann Menschen verstehen, wenn die dann keine Lust mehr haben. Was wenn nichts mehr wirkt? Jeder sagt immer, dass will er nicht erleben. Dann will er lieber das Leben beenden, aber wenn ein Mensch, dem es so geht, es ausspricht wird er verrufen angesehen oder als suizidgefährdet eingestuft. Ich erlebe das immer höchstens drei Wochen und dann breche ich bereits. weil ich nicht sehe, dass es für mich besser kommt, bevor nicht alle Gelenke ausgewechselt sind. Und dann denke ich; ich habe wenigstens die Chance für mich zu entscheiden, dass ich noch was machen kann um den Schmerz zu vermindern. Aber dann muss ich mich erstmal mit „obenrum“ wieder halten können um „untenrum“ ne Reha auf Gehhilfen zu überstehen.. ? Konflikt.
In solchen Momenten bricht dann halt einfach einmal alles. Angst steigt, Hoffnung sinkt. Aber ich habe immer Pausen zum durchatmen und Hoffnung fassen. Mir geht es also gut. Anderen wird dieses verwehrt und genau das muss man sich dann wieder sagen. Sei froh und dankbar.
Es muss nicht mal ne andere Zeit sein, auch in anderen Ländern wäre ich sicher mit gleichem Zustand VIEL schlimmer dran. Sowie eben andere, die auch ihr Leben nicht einfach tauschen können.
Ich denke an all die Menschen, die die Kraft haben Schmerzen langfristig zu ertragen und noch zu kämpfen. ?

Soviel zum Thema Schmerztherapie und der Umgang mit chronischen Schmerzen. Mit der Hoffnung, dass ihr die Menschen in eurem Umfeld etwas besser versteht. Wenn sie sich mal verstecken, mal nicht so gut drauf sind und sich vielleicht auch einfach mal selber bemitleiden müssen. Und tut mir den Gefallen und genießt jeden Tag in Schmerzfreiheit, es kann sich immer mal ändern.

Schönen Abend euch und fühlt euch wie immer gedrückt.
Eure Desi